Connect with us
.

Es werden viele sein, die am Montag aus Flensburg aufbrechen.

Leben

Es werden viele sein, die am Montag aus Flensburg aufbrechen.

Ein Fahrzeugkorso – mit jetzt schon bereits mehr als 1000 Teilnehmern – macht sich am 08.Januar 2024 von Flensburg und weiteren Startpunkten auf den Weg nach Kiel. Und sie sind weder rechts, noch sind sie pauschal gegen eine Regierung. Aber sie haben berechtigte Sorgen. Ein Kommentar aus Flensburg.

Es sind Menschen wie du und ich.

„Handwerker, Bäcker, Spediteure, Gastronomen, Bauern , Rentner, Menschen wie du und ich. Sie sind nicht einverstanden, mit dem was die Regierung in Deutschland treibt“, wird mir freundlich im Gespräch erklärt. Deswegen haben die Organisatoren die Demonstration ordnungsgemäß angemeldet. Es sind diverse Handwerker aus dem Kreis Schleswig-Flensburg. „Wir haben dafür erst mal das Gespräch mit den Behörden gesucht, wir waren in Kiel bei der Versammlungsbehörde. Unsere Demonstration ist ein Protest, aber ein friedlicher Protest. Störenfriede oder radikale Interessen sind bei uns unerwünscht. Das gilt auch für politische Parolen auf Bannern und Fahnen, so was möchten wir bei uns nicht sehen.“

Bodenständige Menschen, die Betriebe aufgebaut haben, fleißig Steuern zahlen und die Entwicklungen mit Sorge betrachten.

Im Gespräch mit den Veranstaltern erlebe ich nur vernünftige Menschen, mit nachvollziehbaren Interessen. Da ist niemand rechts oder träumt von Regierungsumstürzen. Auch wenn die allgemeine Presse und viele Politiker die angekündigten Proteste in Deutschland gerade wieder in so ein Framing schieben wollen. Ganz im Gegenteil, ich erlebe friedliche und sehr fleißige Menschen, die sich über reguläre Ausbildungswege und harte, fleißige Arbeit eine Existenz aufgebaut haben. Die sie jetzt bedroht sehen.  Und ich verstehe die Bedenken, die sie mir vortragen. Denn es sind politische Entscheidungen, die eine breite Masse der Bevölkerung in Herausforderungen bringen. Es geht längst nicht mehr nur um die Bauern. Die Regierung erhöht die CO2 Steuer und Mautgebühren. Die Mehrwertsteuer für Gas, Fernwärme und Gastronomie wird von 7% auf 19% erhöht. Dazu kommt die Plastiksteuer und die Erhöhung des Krankenkassenzusatzbeitrags. Die Kosten für Trink- und Abwasser steigen ebenso wie auch die Netzentgelte. Die Grundsteuer wird in den meisten Kommunen erhöht. Viele Versicherungsbeiträge werden erhöht, während zahlreiche Subventionen einfach gestrichen werden. Und das alles während einer Inflation, in der viele Bürger schon längst am Limit angekommen sind. Denn neben bezahlbarem Wohnraum sind gerade auch die Lebensmittelpreise für viele schon ein Thema. Und das, obwohl die Regierung jedes Jahr Rekordeinnahmen verzeichnet.

Die Branchen wackeln. Und das ist mehr als gefährlich.

Vielleicht dazu mal ein Beispiel: Das Heizungsgesetz hat die Immobilienbranche schon paralysiert, bevor es überhaupt in Kraft trat. Das Gesetz und die drastisch gestiegenen Zinsen wirken sich auf das gesamte Bauwesen und die Handwerksbetriebe aus. „Handwerksbetriebe sterben langsam“, sagt einer der Demoveranstalter im Interview zu mir. Er führt selbst einen Handwerksbetrieb, in dem auch seine Söhne arbeiten. Und ich kann das nur bestätigen. Denn zunächst meldeten große Planungsbüros Insolvenzen an, mittlerweile folgen bereits zahlreiche Handwerksbetriebe. Die Gastronomen dagegen kämpfen mit den harten Preisanstiegen für Lebensmittel. Jetzt kommt die wieder angehobene Mehrwertsteuer noch obendrauf. Bei einer Umfrage mit mehr als 15000 Schleswig-Holsteinern gaben bereits zwei Drittel der Befragten an, „nur noch in die Gastronomie zu gehen, wenn etwas hanz Besonderes ansteht.“ Der Einzelhandel hingegen bricht schon seit längerem ein. Vorrangig durch den Online-Handel. Man sieht es spätestens beim Innenstadtsterben.

Was passiert denn wohl, wenn der Handwerker nicht mehr da ist?

Dann kaufen sich die Kollegen morgens auch nicht mehr die Brötchen beim Bäcker, von einem beauftragten Steuerberater und anderen Dienstleistern ganz zu schweigen. Das alles hat weitreichende Konsequenzen, die dann für uns alle gefährlich werden.

Nur noch wenige  Menschen tragen das ganze System.

Von den knapp 84 Millionen Menschen in Deutschland sind nur 27 Millionen Nettosteuerzahler. Was bedeutet das? Sie sind diejenigen, die mehr an Steuern und Abgaben einzahlen, als sie an staatlichen Transfers (Kindergeld, Wohngeld usw.) und Leistungen (Nutzung der Infrastruktur, Schulen, Hochschulen, Polizei, Bundeswehr, Verwaltung etc.) selbst beziehen. Sie sind also diejenigen, die für ein Plus in der Staatskasse sorgen. Die anderen werden von Ihnen mitfinanziert. Zum Teil oder auch vollständig. Das sind Kinder, Rentner, Flüchtlinge, Arbeitslose, Erwerbsunfähige, Schüler, Studenten und auch Niedrigverdiener.

15 Millionen müssen 69 Millionen ganz oder teilweise tragen.

12 Millionen der genannten 27 Millionen Nettosteuerzahler sind direkt oder indirekt vom Staat abhängig. (Das sind Beamte, Politiker, Lehrer, Soldaten, Polizisten und andere Staatsbedienstete.) Sie werden also auch noch von den Steuern und Abgaben der restlichen 15 Millionen bezahlt.

Kritik an der aktuellen Politik und der jetzigen Regierung sind – aus meiner Sicht – absolut nachvollziehbar.

Die bundesweiten Demonstrationen verstehe ich. Die Versuche – von Politik und Medien – Kritiken und Widerstand immer als rechts abzutun, kann ich nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil, ich halte das sogar für sehr gefährlich. Denn wenn solch unangebrachte Verurteilungen so inflationär eingesetzt werden, wird es auch immer mehr Menschen egal sein, ob sie dazugezählt werden. Spätestens wenn die finanziellen Probleme den Haushalt oder die Existenz bedrohen, wird es den Bürgern vermutlich herzlich egal sein, in welches politische Lager sie von Fremden einsortiert werden. Ich denke das sollten wir vermeiden, denn möglicherweise treibt es die einen oder anderen dann sogar eher nach rechts.

In Deutschland muss schon sehr viel passieren, bevor so viele Bürger protestieren. Und ich frage mich, warum die Regierungsmitglieder hier nicht bürgergerechter reagieren? Können Sie es nicht besser oder wollen Sie nicht?

Verstehen Sie sich überhaupt noch als gewählte Volksvertreter?

Die Mehrheit von rund 82 Prozent der Befragten des ARD-DeutschlandTrends gab Anfang Januar 2024 an, weniger zufrieden oder gar nicht zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung zu sein. Nur 16 Prozent waren mit der politischen Leistung der Bundesregierung um Kanzler Olaf Scholz zufrieden.

Dennoch verkündet kein einziges Regierungsmitglied den Rücktritt. Trotz aller Skandale und Verfehlungen ist davon nichts zu spüren. Und dann wundern wir uns noch über Proteste in ganz Deutschland?

Das, was aktuell geschieht, erinnert an Schach. Den ersten Schritt machen immer die Bauern.
Aber am Ende fällt ein König.

Hier noch eine wichtige Info für die Teilnehmer am kommenden Montag. Aufgrund der Menge der Teilnehmer, gibt es vier Startpunkte für die friedliche Demonstration:

Es beginnt um 08:00 Uhr:

Flensburg / Exe – nur PKW
Handewitt / Alter Kirchenweg zwischen Schule & Weinhandlung
Nur PKW & Tansporter
Handwitt / Gottrupeler Weg – Zufahrt über Ellunder Straße
Nur LKW bis 7,5 Tonnen -Schlepper – Transporter
Schleswig/Schuby / Gewerbegebiet Röschackerring
Alle LKW über 7,5 Tonnen, Schlepper und weitere Fahrzeuge

Bitte achtet alle auf eine friedliche Demonstration!

Text. M. Jürgensen

Bildquelle: Shutterstock

Mehr Leben

.
To Top