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Schlechte Gesundheitsfürsorge und die Auswirkungen auf die Pandemie

Bildquelle: Shutterstock

Leben

Schlechte Gesundheitsfürsorge und die Auswirkungen auf die Pandemie

„In Deutschland mangelt es an zentralen Strukturen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, etwa an einer systematischen Datenerhebung sowie an einer einheitlichen Meldesoftware. Angesichts der Covid-Krise hat sich das als Schwachstelle erwiesen.“, so die Experten für Public Health und Epidemiologie Tobias Kurth und Ralph Brinks.

In dem Wissenschaftsmagazin Spektrum veröffentlichten die beiden Autoren kürzlich einen Artikel, in dem sie offenlegen, dass die öffentliche Gesundheitsfürsorge in Deutschland schwach aufgestellt ist und welche Konsequenzen sich daraus für den Verlauf des Pandemiegeschehens im Land ergaben. Außerdem wird erläutert, wie man den „Public Health“-Sektor in Zukunft besser gestalten könnte.

Veränderte Situation seit Frühjahr 2021

Nachdem Deutschland zu Beginn der Corona-Pandemie sehr gut agierte und auch als Vorbild für andere Länder galt, änderte sich die Situation Anfang des Jahres zum schlechteren. So sind sich “Bund und Länder zunehmend uneins über die richtigen Schritte, und die gesellschaftlichen Maßnahmen, um die Pandemie zu bekämpfen, erscheinen in wachsendem Maß widersprüchlich und für die Bevölkerung schwer nachvollziehbar.“ Als Grund dafür sehen die Autoren vor allem den Mangel an belastbaren Daten auf Bevölkerungsebene, die notwendig wären, um widerzuspiegeln, welche Wirkungen die diversen Maßnahmen haben, welche Unterschiede es zwischen den Altersgruppen gibt und wie hoch die Dunkelziffer der Infizierten ist. Weiter wird kritisiert, dass Virusproben bis 2021 nur sporadisch und unsystematisch gentechnisch untersucht wurden, um Virusmutationen und deren Verbreitung feststellen zu können. Auch das DIVI-Intensivregister erfasst erst seit März 2020 Daten der Intensivbetten-Kapazitäten. All diese Faktoren zeigen, dass der Bereich der öffentlichen Gesundheitsfürsorge (Public Health) in Deutschland schwach aufgestellt ist.

Was Public Health beschreibt

Unter das interdisziplinäre Fachgebiet Public Health fällt alles was wichtig dafür ist, die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten und zu verbessern: „soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren ebenso wie physikalische, chemische und biologische. Das Gesundheitswesen zu gestalten, medizinische und soziale Dienstleistungen bereitzustellen oder Bürgerinnen und Bürger vor Gesundheitsrisiken zu schützen.“

In den vergangenen Jahren wurde der Sektor und dessen Entwicklung vernachlässigt. Covid-19 hat die Wahrnehmung grundlegend geändert. Vermutlich zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik rücken die institutionellen Public Health-Einrichtungen dauerhaft in den gesellschaftlichen Fokus. Das sind vor allem das Robert Koch-Institut (RKI) sowie die staatlichen und kommunalen Gesundheitsämter. Die vergleichsweise schwache Aufstellung des Sektors führte dazu, dass die Pandemie das Land sehr unvorbereitet traf.

Unreflektierte Übernahme epidemiologischer Begriffe

Als Folge dessen, wurden laut der Autoren diverse epidemiologische Begriffe ziemlich unreflektiert und auf inkonsistente Weise in den Fokus öffentlich-politischer Debatten gestellt. Erst die Verdopplungszeit, dann der R-Wert und nun die Inzidenzzahl, die „zum vermeintlich entscheidenden Maß avancierte, an dem sich Lockdowns, Ausgangsbeschränkungen und Lockerungen orientieren sollen.“ Aus wissenschaftlicher Sicht sei es wenig sinnvoll, sich auf eine einzelne Maßzahl zu konzentrieren. Einerseits ließe sich ein komplexes Pandemiegeschehen kaum mit einem einzigen Parameter beschreiben, zumal wenn er von diversen Einflussfaktoren abhinge, etwa der Testhäufigkeit, dem Funktionieren der Meldeketten oder der Anzahl bereits geimpfter Personen. „Andererseits verlieren Maßzahlen deutlich an Wert, wenn sie direkt zum Ziel von Interventionen gemacht werden – denn das verführt zu einem Ausweichverhalten, welches ihre Aussagekraft reduziert.“, so Kurth und Brinks.

Politik trifft auf Medienlandschaft

“Der unzureichend geübte Umgang der Politik mit epidemiologischen Maßzahlen traf auf eine Medienlandschaft, die in weiten Teilen unerfahren im Umgang mit Zahlen überhaupt war. Viele Medienanstalten haben ihre Wissenschaftsredaktionen in den zurückliegenden Jahren reduziert oder ganz aufgelöst, was das unreflektierte Übernehmen epidemiologischer Begriffe und ihre fehlende Einordnung begünstigt hat. So wären mehr seriöse Vergleiche zwischen den Risiken einer Sars-CoV-2-Infektion und anderen Gesundheitsgefahren wünschenswert gewesen.“, so die Autoren weiter.

Angesichts der Verständnislücken bei Politikern und Medienschaffenden, der zunächst sehr akademisch orientierten wissenschaftlichen Politikberatung und der schlecht aufgestellten Test- und Meldeinfrastruktur in Deutschland, sei es nachvollziehbar, dass vieles in der Pandemie nicht optimal lief.

Zukunft der öffentlichen Gesundheitsfürsorge

Nachdem in dem Artikel noch weitere Verfehlungen, wie etwa das Fehlen von verwertbaren Daten und der Zusammenhang mit dem Datenschutz, so wie die Computersimulation des Pandemiegeschehens sehr ausführlich beschrieben werden, zeigen die Autoren auch auf, wie die Gestaltung der öffentlichen Gesundheitsfürsorge in Zukunft aussehen könnte und sollte.

Da Datenwissenschaften in Pandemien eine außerordentliche Bedeutung hätten, wäre es ihrer Ansicht nach sinnvoll, politisch-gesellschaftliche Maßnahmen vollständig auf Daten zu stützen und unter sorgfältiger Kosten-Nutzen-Abwägung zu begründen. Das würde die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung sehr wahrscheinlich deutlich erhöhen. Weiter wird vorgeschlagen, eine epidemiologische Einsatzgruppe einzurichten. “Fachpersonal, dass ein spezielles Schulungsprogramm in epidemiologischen und technischen Vor-Ort-Untersuchungen durchlaufen hat […] könnte etwa die Kontaktverfolgung bei lokalen Ausbrüchen und in Hotspots unterstützen und mögliche Übertragungswege analysieren.“ Außerdem sei aus Sicht der Public Health eine wissenschaftlich-operative Einrichtung wünschenswert, die der Bekämpfung aller gesundheitlichen Bedrohungen diene, die wie folgt beschrieben wird: “Diese Institution darf aber nicht den Schwierigkeiten unterliegen, die aus der föderalen Struktur der Bundesrepublik folgen und in der aktuellen Krise täglich schmerzhaft sichtbar werden. Denkbar wäre eine aus Bund, Ländern und Kommunen gleichermaßen zusammengesetzte und finanzierte Organisation, an der Fachleute der bereits genannten Disziplinen mitwirken und die unabhängig von politischen Vorgaben arbeitet. Idealerweise sollte sie neben der engen Verzahnung mit den regionalen Gesundheitsämtern auch sachkundige und betroffene Bürgerinnen und Bürger einbinden.“

Die Experten zeigen in ihrem Artikel den Stand der Dinge in Deutschland sehr sachlich auf, gefolgt von fundierten Vorschlägen, für die zukünftige Gestaltung des Public Health-Sektors, um Lagen wie die, in der wir uns befinden, zukünftig verhindern zu können.

Wer den ganzen Artikel lesen möchte, kann das hier:

https://www.spektrum.de/news/gesundheitsfuersorge-schlecht-vorbereitet-in-die-pandemie/1868491

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