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Hanau geht uns alle an!

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Hanau geht uns alle an!

Hanau ist eine Stadt in Hessen und ungefähr so groß wie unser Flensburg. Seit der entsetzlichen Tat ist Hanau in aller Munde, nicht nur national, auch international. 10 unschuldige Menschen sterben, darunter auch die Mutter des Mörders. Der Attentäter richtete sich selbst. Die Bundesgeneralanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen. Noch ist über das Motiv und die Hintergründe wenig bekannt. Wir wollen es dabei belassen und uns nicht an Spekulationen beteiligen.

Neun Menschenleben wurden einfach ausgelöscht. Einfach so.

Das ist so schwer zu begreifen, das ist überhaupt nicht zu begreifen. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten den trauernden Hinterbliebenen. Den zahlreichen Verletzten wünschen wir eine baldige und vollständige Genesung. Es ist der dritte rechtsextreme Anschlag innerhalb eines Jahres. Und wieder versammelten sich tausende Menschen. Es gab Mahnwachen, Blumen, Kerzen und Demostrationen. Politiker reisten an den Ort des Geschehens und bekundeten ihre tiefe Anteilnahme. Nein, niemand müsse in Deutschland Angst haben, alles würde man dafür tun. Wirklich alles? Sind die Politiker auf dem rechten Auge blind? Sind wir es irgendwie inzwischen alle? Die Politik und die Zivilgesellschaft?

Rückblick: Anfang September 2015 saßen in Budapest tausende Flüchtlinge fest.

Frau Merkel öffnete die Grenze. Die Flüchtlinge strömten in unser Land, viele gingen zu Fuß über die Autobahn. Bis heute halte ich diese humanitäre Entscheidung für richtig. Es ist durchaus denkbar, dass Frau Merkel, die zwar in Hamburg geboren, aber in der DDR aufgewachsen ist, an die Zeit der Wende dachte. Damals öffnete Ungarn die Grenze, damit die geflohenen Bürger aus der DDR nach Westdeutschland konnten. Es gibt vielfältige Fluchtgründe. Krieg natürlich, aber auch Armut, Hunger, Diktatur, auf lange Sicht Perspektivlosigkeit. Keiner wird gerne seine Heimat verlassen. Und wie immer gibt es noch Menschen, die an dem Elend anderer verdienen. Asylverfahren können sehr langwierig sein. Auch bei Ablehnung gibt es Schutzformen, die eine Abschiebung verzögern, verhindern, fast unmöglich machen. Auch hier gibt es wieder Menschen und Berufsgruppen, die daran verdienen. Anwälte zum Beispiel.

Mit der Flüchtlingswelle wurde der Ton im realen Leben und im Netz rauer, fordernder, neidvoller und unreflektierter.

Für die AfD war die Flüchtlingswelle eine Sternstunde ihrer vermeintlich politischen Kernkompetenz, es war sozusagen die Geburtsstunde von der AfD 2.0. Gegner der Flüchtlingspolitik gröhlten vor Asylunterkünften, bedrohten Mitarbeiter oder Bürgermeister einzelner Kommunen, Ehrenamtler und unzählige andere Freiwillige halfen den geflüchteten Menschen, wo sie nur konnten. Unser Land teilte sich in Befürworter und erbitterte Gegner.

Manche Leser fragen sich vielleicht, was hat die Flüchtlingswelle mit Hanau zu tun?

Ich denke, eine ganze Menge. Während der Flüchtlingskrise gab es plötzlich keine Hemmschwelle mehr. Das Netz war und ist voll von Hass, Hetze, Beleidigungen, Verleumdungen und Bedrohungen. Nicht nur von rechter Seite, aber ganz besonders von rechter Seite. Mit dem unsäglichen Vokabular und der kalkulierten Scharfmacherei der AfD, lehnen sich immer mehr User immer weiter aus dem Fenster und verfassen, liken oder teilen Kommentare, die fern jeglicher Zivilisation und menschenwürdigen Umgangsformen sind. Die Flüchtlinge dürfen gerne ersaufen, totgetrampelt werden, an die Wand gestellt oder gleich standrechtlich erschossen werden. Als die Welle der Empörung über Flüchtlinge abebbte, wurden neue Feinbilder gesucht, gefunden und bedient. Politiker aller anderer Parteien, Minderheiten, Lehrer oder sexuelle Orientierungen. Die AfD-Fans sind geradezu entzückt und begeistert über die Partei, die ihnen IHR Land wieder zurück holen will. Für ständige Empörungsausraster sorgen die unzähligen AfD-Seiten im Netz oder zuverlässig ein Herr Höcke im realen Leben.

Besonders im Netz wächst eine neue Generation von begeisterten ultrarechten bis faschistischen Leuten heran.

Die mit dunkelbrauner Brühe nur so um sich werfen. Handelt es sich tatsächlich nur um Tastaturkrieger, die im realen Leben unauffällig sind und die sich lediglich auf allen Social Media Kanälen auskotzen? Ist es also durchaus Lieschen Müller, die nette Verkäuferin aus dem Blumenladen, die nachts allen Flüchtlingen von Herzen wünscht, elendig zu ersaufen? Oder ist es gar der betagte Senior, der generell alle Flüchtlinge verteufelt, weil die gefälligst ihr Land aufbauen sollten, anstatt in unseren Städten herumzulungern? Er jedenfalls hätte seine Familie bis aufs Blut verteidigt und hätte niemals seine Heimat verraten und verlassen. Oder ist es etwa die 40-jährige Büroangestellte, die alle, die nicht ihr 08/15 Leben teilen, als pervers betitelt, die in ein Umerziehungslager gehören?

Es gibt genug dieser Leute die spüren, wie die Stimmung umschlägt.

In ihrer Blase, fern von Lügenpresse und Altparteien, sind sie quasi unter sich und fühlen sich in ihrer Meinung mit zwielichtigen Gleichgesinnten bestätigt. Sie erleben dass völkisches Gedankengut in ihren Kreisen normal ist, reden gern von unwertem Leben, Umvolkung, Schießbefehl an der Grenze oder stellen ihre vermeintliche Überlegenheit zur Schau. Sie fühlen sich nicht mehr als verschrobene Minderheit, sondern als Teil einer ganz großen Sache. Aber tun sie es weiterhin und mehrheitlich nur im Netz?

Rechtsterrorismus muss in unserem Land mit allen verfügbaren Mitteln bekämpft werden.

Wir alle sind gefragt. Die AfD ist trotz allem nicht verantwortlich für dieses entsetzliche Verbrechen. Natürlich nicht. Aber wer so rücksichtslos und kalkuliert agiert, bereitet den Boden für solch entsetzliche Taten oder Nachahmer! Hanau geht uns alle an! Politische Debatten dürfen sich nicht davor drücken, rechten Terror zu erkennen und zu benennen. Wir alle, die demokratischen und vernünftigen Menschen unseres Landes müssen diesem rechten Spuk immer wieder die Stirn bieten und wir dürfen uns nicht wegducken. Unsere liberale, weltoffene und freiheitliche Demokratie ist nicht erst seit Hanau in Gefahr!

Text: Fräulein H.

Bild: Shutterstock

 

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