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Verfassungsschutzbericht für das Land Schleswig-Holstein vorgestellt
Schleswig-Holsteins Innenministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack hat am 6. Juni gemeinsam mit dem Abteilungsleiter des Verfassungsschutzes, Dr. Torsten Holleck, sowie Henrik Greve, stellvertretender Leiter der Abteilung Staatsschutz im Landeskriminalamt, den Verfassungsschutzbericht für das Berichtsjahr 2023 vorgestellt und auch zu aktuellen Entwicklungen Stellung genommen.
„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und der Überfall der HAMAS auf Israel am 07. Oktober 2023 mit über 1.200 Toten und die sich anschließenden kriegerischen Auseinandersetzungen bilden den sicherheitspolitischen Rahmen für den Berichtszeitraum 2023. Denn diese Ereignisse wirken sich auf die Sicherheitslage in Deutschland und damit auch auf Schleswig-Holstein aus
„, sagte die Innenministerin.
Die Auswirkungen des Ukrainekrieges umfassen in besonderem Maße die Gefahren durch Cyberangriffe. Seit Kriegsbeginn mehren sich Cyberangriffe, die Russland zugeschrieben werden. Der Cyberraum bietet eine große Angriffsfläche für die Vorbereitung und Durchführung von Spionage- und Sabotageaktivitäten. „Speziell für Unternehmen der kritischen Infrastruktur bedeuten die Ausforschung und Instrumentalisierung der eigenen Internet-Infrastruktur durch fremde Nachrichtendienste eine hohe und stetig zunehmende Gefährdungslage
„, erklärte Sütterlin-Waack.
Dazu haben die terroristischen Angriffe der HAMAS gegen Israel und der daraufhin wieder entflammte Nah-Ost-Konflikt in Teilen explizit antisemitische Reaktionen der extremistischen Szene im Land herbeigeführt. Dabei zeigen sich im Rechtsextremismus auch ambivalente Reaktionen, die zum Teil antisemitisch und antizionistisch geprägt waren, andererseits aber auch fremdenfeindlich und anti-muslimisch gegen die Terrororganisation HAMAS und hier lebende Musliminnen und Muslime.
Die Reaktionen in der islamistischen Szene sind ebenfalls emotional, durchweg anti-israelisch und gegen den Westen gerichtet. Anhängerinnen und Anhänger der HAMAS und der Hizb Allah halten sich bei Demonstrationen und mit öffentlichen Solidaritätsbekundungen zurück. Hintergrund dürfte der deutliche staatliche Verfolgungsdruck sein. Andere islamistische Gruppierungen hingegen instrumentalisieren die aktuelle Lage offensiv, um ein Opfernarrativ der Muslime in der westlichen Welt zu festigen und Kritik am deutschen Staat zu äußern.
Innenministerin Sütterlin-Waack ging daneben auf weitere wesentliche Entwicklungen in den klassischen Phänomenbereichen ein. Auch im Berichtsjahr 2023 stellt der Bereich des Rechtsextremismus einen Schwerpunkt dar. Zwar ist das Personenpotential im Rechtsextremismus im vergangenen Jahr von 1.220 auf 1.200 leicht zurückgegangen. Davon werden 350 Personen als gewaltbereit eingeschätzt. Im Bereich der Straftaten der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) – Rechts – gab es hingegen einen erneuten Anstieg um 276 Taten auf 975. Das entspricht einem Plus von fast 40 Prozent. Auch wenn die sogenannten Propagandadelikte mit 50 Prozent den größten Anteil an den Straftaten im Bereich der PMK – Rechts – haben, so sind auch die Gewaltstraftaten von 46 auf 81 deutlich gestiegen.
„Dieser erneute Anstieg ist natürlich überhaupt nicht gut. Aber es bleibt festzuhalten, dass es der rechtsextremistischen Szene – trotz teils intensiver Bemühungen – nicht gelungen ist, den demokratischen, sachbezogenen und legitimen Protest zahlreicher unter dem Verfassungsbogen stehender Gruppierungen zu unterlaufen, zu steuern oder zu übernehmen
„, betonte die Ministerin.
Im Bereich der Reichsbürgerszene ist der Zulauf weiterhin relativ stark. Das Personenpotenzial ist im Vergleich zum Vorjahr um rund 10 Prozent auf 700 Personen angewachsen. Dazu sagte Sütterlin-Waack: „Die gesteigerten Aktivitäten einzelner Gruppierungen aus diesem Spektrum und die hohe latente Gewaltbereitschaft bis hin zu konkreten Umsturzplänen machen auch diese Szene zu einer Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung und die öffentliche Sicherheit.
“
Währenddessen bleibt auch die Gefahr von islamistischem Terrorismus in ganz Deutschland unverändert abstrakt hoch. Die Bedrohung kann jederzeit durch Ereignisse wie jihadistisch motivierte Anschläge real werden, die von mutmaßlichen Anhängern oder Sympathisanten islamistischer Gruppen ausgeführt werden könnten.
Das Personenpotenzial im Bereich politisch motivierte Kriminalität – religiöse Ideologie – ist von 868 Personen im Jahr 2022 auf 825 Personen im Jahr 2023 leicht gesunken. Die Anzahl aller Straftaten im Phänomenbereich religiöse Ideologien stieg jedoch um 12 auf 31 im Berichtsjahr 2023 an.
Die jüngsten Ereignisse im Nahen Osten könnten zudem für einzelne Personen aus der jihadistischen Szene als moralische Rechtfertigung für Straftaten dienen. Angesichts dieser Gefahrenlage stellen die bevorstehende Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und die Olympischen Spiele in Frankreich eine Herausforderung für die europäischen Sicherheitsbehörden dar.
Der Salafismus bleibt die am meisten verbreitete islamistische Strömung in Schleswig-Holstein, insbesondere bei jungen Erwachsenen und Konvertiten. Die salafistische Szene hat eine große Reichweite dank ihrer gut gestalteten Medienpräsenz auf verschiedenen Internetplattformen. Sie verbreitet ihre Ideologie unter anderem über YouTube, Facebook, Instagram, WhatsApp und Telegram. Auch nutzt sie zunehmend TikTok, um vor allem Jugendliche anzusprechen.
Die Innenministerin ist des Weiteren auf den Bereich des Linksextremismus eingegangen. Diesem Phänomenbereich werden im Berichtsjahr 2023 745 Personen zugerechnet (2022: 735). Sie verübten im vergangenen Jahr 137 der politisch motivierten Straftaten – links. Das bedeutet im Vergleich zum Vorjahr eine Abnahme von 7 Fällen bzw. fast 5 Prozent. Die Zahl der erfassten Gewaltdelikte ging ebenfalls zurück (-9 Fälle, bzw. rund -43 Prozent).
Im zum Linksextremismus dazugehörigen Basisthemenfeld Antifaschismus dominierte die Bekämpfung des politischen Gegners die Aktivitäten der Szene. Im Fokus standen hier weiterhin die Parteien Alternative für Deutschland (AfD) sowie Die HEIMAT (vormals NPD). Die linksextremistische Szene agierte wie gewohnt reaktiv und orientierte sich mit ihren Störaktionen und Gegendemonstrationen an der geringen Veranstaltungsintensität ihrer Gegner. Die Straftatbestände im Rahmen der Bekämpfung der AfD reichten von Beleidigung und Sachbeschädigungen bis hin zu Brandstiftung und Körperverletzung.
Der für einen Linksextremisten wichtige Themenbereich Klimabewegung hatte auch 2023 eine hohe Relevanz. Feststellbar war eine Veränderung in der Intensität der durch Klimaaktivisten begangenen Taten, die eine strafbare Relevanz hatten. Eine hohe Schadenssumme weist noch keinen Extremismus nach, solange der Kernbereich des Grundgesetzes nicht ausgehebelt werden soll. Nach diesem Maßstab war der Großteil an Aktivitäten der Klimabewegung verfassungsrechtlich nicht relevant. Dies gilt jedoch nicht für die linksextremistische Turboklimakampfgruppe (TKKG). Diese hat sich über die letzten Jahre zu einer festen Größe im schleswig-holsteinischen Linksextremismus entwickelt. Dabei gingen ihre Aktivitäten auch 2023 über klimapolitische Forderungen hinaus hin zu einer festeren Zusammenarbeit mit weiteren linksextremistischen Akteuren.
Am Ende macht die Ministerin noch einmal deutlich: „Sie sehen, unser Sicherheitsrahmen hat sich geändert und unsere Welt ist komplexer geworden. Das zeigen der Verfassungsschutzbericht und auch die aktuellen weltpolitischen Entwicklungen. Aber ein Leben in Freiheit und Sicherheit ist Voraussetzung und Grundlage unserer Demokratie. Verfassungsfeindlichen Bestrebungen müssen und werden wir unermüdlich in allen Bereichen entschieden begegnen. Sie können sich sicher sein, dass wir jeglicher Form von Extremismus weiterhin entschlossen entgegentreten werden!
“
Den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 finden Sie unter folgendem Link:
www.schleswig-holstein.de/verfassungsschutzberichte
Quelle: Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein