Leben
Zeitwandel – wo sind all die Azubis hin?
Die Zeiten, in denen sich dutzende Jugendliche um eine Ausbildungsstelle bemühten, sind vorüber. Ein Luxus für viele junge Menschen, die heutzutage einen Ausbildungsplatz suchen.
Das Blatt hat sich gewendet, denn nicht länger sind Arbeitgeber in der Position zwischen den Bewerbern auszuwählen, sondern die Bewerber haben oft die Wahl mehrerer Ausbildungsstellen. Fraglich ist, ob das, was zunächst positiv erscheint, nicht die Konsequenz einer negativen Entwicklung ist. In ganz Deutschland zeigt sich zunehmend, dass immer mehr Unternehmen um Auszubildende kämpfen. Im April letzten Jahres wurden 643 Ausbildungsstellen in Flensburg gemeldet, hingegen nur 438 Bewerber. Somit blieben 205 Ausbildungsplätze unbesetzt. Im April dieses Jahres wurden 715 Ausbildungsstellen und 394 Bewerber gemeldet, womit sich die Differenz auf 321 Stellen erhöht. Wer soll zukünftig Häuser bauen, Fliesen legen oder die Supermärkte organisieren, wenn es keine neuen Mitarbeiter mehr gibt? Im Jahr 2011 sah das in Flensburg noch ganz anders aus. Der Abstand zwischen gemeldeten Bewerbern und Stellen lag bei 66. Das Verhältnis verändert sich demnach drastisch.
Anzahl der Auszubildenen sinkt drastisch
Das Problem ist nicht der Anstieg der Unternehmerzahl, sondern die drastisch sinkende Bewerberzahl. Leidtragende der wenigen Bewerber sind häufig handwerkliche Betriebe. Nicht nur die hohe Schulabbruchsquote ist für diese Entwicklung verantwortlich, sondern vor allem auch das bildungspolitische Agieren der Politiker. Das deutlich gesunkene Abitur-Niveau motiviert inzwischen viele Schüler, die normalerweise nach dem Realschulabschluss die Schule verlassen hätten, das Abitur zu machen. Darüber hinaus sind politische Entscheidungen, wie die Umstellung auf Bachelor und Master mitverantwortlich, dass junge Menschen von einem Hochschulabschluss träumen.
Dabei bleibt doch die Frage, wer unsere alten oder kranken Menschen pflegt oder unser Getreide ansät und unsere Milch erwirtschaftet, wenn immer weniger junge Menschen eine Ausbildung beginnen. Vielleicht wäre es ratsam, Löhne für Krankenschwestern, Altenpfleger oder Maurer zu erhöhen und die Bedingungen für sie und alle anderen handwerklichen Berufe zu verbessern. Wenn all diese wichtigen Arbeiten endlich wieder geschätzt werden – sowohl finanziell als auch gesellschaftlich – dann werden sich mit Sicherheit auch viele junge Menschen überlegen, eine Ausbildung zu machen.[1][2][3]
Quellen:
[1] https://www.sueddeutsche.de/bildung/abitur-pruefung-interview-1.4006940
[2] Arbeitsmarktreport (Monatszahlen), Flensburg Stadt 2022, Bundesagentur für Arbeit
[3] Arbeitsmarktreport für Kreise und kreisfreie Städte Flensburg, Stadt April 2013